Auf Nachfrage wird dies Verhalten mit der Konkurrenz um die besten Stellplätze in Crossing begründet, doch geben die Geschichten der Fuhrleute über den Landstrich, den sie sich zu durchqueren anschicken, noch von anderen Gründen Zeugnis.
Im Süden des Fürstentums Westberg verläuft der Königsweg zwischen den Gemarkungen Weltend im Osten und den Wildlanden westlich. Rechts der Straße haben sich die dunklen Mischwälder aus Tannen, Fichten, Buchen und Eichen von den Hängen des Zentralmassivs weit in die Ebene der Kronmarken hineingewagt und bilden in einiger Entfernung von der Straße eine dunkelgrüne Wand. Nach links hin sucht das Auge vergebens Wald, nur ab und an duckt sich ein Baum zwischen die Hügel, die der Landschaft hier ihren Charakter verleihen. Stattdessen fegt der Wind über die langen Gräser und verwandelt die Wiesen in ein wogendes grünes Meer.
So unterschiedlich, wie die Wesenszüge der Landschaft auch sind, so einheitlich ist die Zurückgezogenheit der Einwohner. Bis er nach Grünfeld, oder nach der Namensgebung des früheren Barons Grünfels und die Ländereien der Alten Mark gelangt, wird sich der Wanderer nicht an kühlem Trunke laben können, oder eine warme Mahlzeit auf ebener Bank genießen, den er findet keinerlei Schenke oder Wirtshaus, weder rechts noch links des Weges. Nicht einmal ein Feldweg, der zu einer Ansiedlung führen könnte, zweigt von der Reichsstraße ab. Einzig gen Osten verlieren sich ein paar Trampelpfade unter den Bäumen.
Der Wagemutige aber, der das Abenteuer auf sich nehmen will in die Wälder von Weltend vorzudringen, wird mit der Bekanntschaft zu einem Völkchen von warmherzigen Menschen belohnt, wenn er es schafft ihre harte und abweisende Schale aufzuweichen. Zunächst dürfte der Wanderer aber unter den Bäumen auf Steinhaufen treffen. Erst wird man gar nicht gewahr, dass man eigentlich vor einem Grab steht. Diese Haufen sind überall in Weltend zu finden und machen das Gut zu dem ausgedehntesten Friedhof in ganz Falk. Die Einheimischen bestatten ihre Toten in diesen Steinhügeln im Stehen. Die Findlinge werden um die Verstorbenen geschichtet und bewahren sie im Inneren in einer für die jeweilige Person typischen Geste. Bäuerinnen mit ihrer Sichel, Jäger mit stoßbereitem Speer und Kriegerinnen natürlich mit ihrer Waffe, gehen im Tode weiter den Aufgaben nach, die ihre Leben bestimmten. Fürst Cornelius Tugelbend soll dem Brauch die Achtung erwiesen haben, indem er einen seiner verstorbenen Gefolgsleute, Konrad von Marburg, auf weltender Boden in einem Haufengrab bestatten ließ.
Vereinzelt trifft man unter den Bewohnern der verstreut liegende Weiler alte Leute, die sehr überzeugt von Steinhaufen berichten, die noch von der großen Schlacht im Jahr von Alucs Erblindung stammen. Es ist ein erhebendes Gefühl, vor so einem von der Witterung verschlissenen Haufengrab zu stehen und sich vorzustellen einen jener Kämpfer vor sich zu haben, die an der Seite von Fâhlk in der Schlacht gekämpft haben, die in dieser Gegend vor 2000 Jahren getobt hat. Eher beängstigend sind dagegen die Geschichten, dass die Verstorbenen auf diese Art bestattet werden, damit sie bei Gefahr ihre Haufen verlassen und für die Lebenden kämpfen können. Aus diesem Grund, so wird berichtet, stehen die Haufen nicht beisammen, sondern im weiten Kreis um Ansiedlungen verteilt. Diese und andere Sagen, welche des Nachts an den Herden über Weltend erzählt werden - sie sollen hier nicht vorweggenommen sein - sorgen für die ungewöhnliche Eile, mit der die Fuhrleute das weltender Stück Königsweg hinter sich bringen wollen.
Am gehäuften Auftreten von Steinhaufen bemerkt man dann auch, dass man sich einer Siedlung nähert. Von diesen gibt es zwei Arten in Weltend, Köhler und Bauern. Selten findet man auch beide vermischt, denn üblicherweise folgen die Bauern den Köhlern, wenn diese ein Areal abgeholzt haben und ihre Meiler verlegen. Über jeder Haustür in Weltend begrüßt den Gast ein Hasenfuß, dem Volksglauben nach soll er dem Haus und seinen Bewohnern Glück und Wohlstand bringen. In den Häusern ist ein mit dem Land verwachsener Menschenschlag anzutreffen, der trotz seines wortkargen Auftretens niemals einem Reisenden Unterkunft verwehren würde, denn die Weltender kennen keine Gasthäuser. Deshalb sind die essbaren Spezialitäten auch immer mit Familienanschluß zu genießen. Es ist zu empfehlen die Atmosphäre im Voraus mit einem Lied, einer Geschichte, oder am besten mit einem Schwank aus dem eigenen Leben aufzutauen, dann lassen sich Schweinskruste mit Erdkohle und dazu ein paar Gläschen Tannentau richtig genießen. Hinter den Bezeichnungen verbergen sich gut durchwachsenes Schweinefleisch in Brotteig gegart, Weizenteigknöddel in Lehmhülle direkt aus dem Feuer und ein mit Kräutern aufgesetzter klarer Brand.
Ihren Lebensunterhalt bestreiten die meisten Bewohner Weltends mit der Produktion von Holzkohle, Ackerbau und der Zucht von Wollschweinen. Die Überschüsse werden in der Regel nach Norden in die Alte Mark gebracht und dort gehandelt. Die einzigen besseren Wege in Weltend durchziehen das Gut deshalb auch von Süden nach Norden.
Die Gewissheit, Schwein und Schaf. Hier war die Erste, hier wird die Letzte sein.